Mittwoch, 9. Mai 2018

Yin & Yang Retreat auf Bali. Reisetagebuch. Teil 5

Vertrauen ins Leben


Ein großes schwarzes Loch, so lässt sich wohl am ehesten meine Gefühlslage direkt nach dem Ende unseres intensiven Yoga-Retreats auf Bali beschreiben. Wolfgang und ich waren uns einig, zwei Tage in einem schicken Hotel würden helfen, vor dem Heimflug unsere Energiereserven wieder aufzufüllen. Also freuten wir uns auf Schirmchen-Drinks, Massagen und Faulenzen am Pool.

Aber es kam zunächst, wie es immer kommt, wenn wir sicher sind, dass wir im Außen perfekt durchgeplant haben – nämlich völlig anders. Nachdem alle Teilnehmer der Yogagruppe verabschiedet waren, niemand mehr unsere Aufmerksamkeit und Fürsorge brauchte, konnte ich die herbeigesehnte Stille nur schwer ertragen.

Und Sanur, unser letztes Reiseziel auf Bali, war auch noch das Gegenteil von dem, was wir uns erträumt hatten. Das Hotelzimmer eine riesige, muffig-dunkle Garage, direkt gegenüber eine ambitionierte Reggae-Bar. Die Massage-Preise im Hotel-Spa waren unverhältnismäßig hoch und der ganze Ort wirkte wie eine Art balinesischer Ballermann.

Zehn Tage lang hatten wir zuvor mit unseren Yoga-Schülern geübt, in die Selbstfürsorge zu gehen. Dafür hatten wir immer wieder trainiert, jeden Gedanken, jedes enge Gefühl, jeden Widerstand da sein zu lassen, vollständig zu akzeptieren, statt alles sofort weghaben zu wollen. (Ich werde in meinem nächsten Blog-Beitrag noch ausführlicher über unsere Erfahrungen mit der buddhistischen Praxis der liebevollen Güte – metta oder maitri berichten.) Und nun fühlte ich mich selbst heillos überfordert, war genervt, schielte schon mal nach einem möglichen Schuldigen im Außen, wollte nur noch nach Hause und ging mir mit all dem selbst fürchterlich auf die Nerven.

In dem am wenigsten willkommenen Moment liegt glücklicherweise auch die größte Lektion. Denn regelmäßige Meditation macht uns eben nicht zu beseelt dauergrinsenden Hobby-Heiligen. Stattdessen erlauben wir dem Schmerz durch die Achtsamkeitspraxis einfach da zu sein, wir geben ihm die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die er braucht – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist als würden wir mit dem Finger fürsorglich über eine Schnittwunde streichen – um sie zart und vorsichtig zu versorgen. Worum geht es wirklich? Woran mangelt es gerade? Was brauche ich jetzt?  

Plötzlich erinnerte ich mich daran, wie sich all die intensiven und herausfordernden Momente der Vergangenheit letztlich immer irgendwann aufgelöst hatten. Und sich so manche schmerzhafte Situation mit etwas Abstand als Segen herausstellte. Bisher hatte das Leben immer gut für mich gesorgt. Warum also nicht auch jetzt ins Vertrauen gehen? Ich entschied mich für einen kleinen Rückzug (um niemandem unfreundlich auf die Füße zu treten) und akzeptierte einfach, dass ich überfordert war und mir wie ein eingerollter, stacheliger Igel vorkam.

In dem Moment, in dem ich meine eigene Bedrängnis anerkannte und ja, sie auch würdigte als natürlichen Teil von mir, wurde ich innerlich sofort weicher. Mit der Anerkennung der Enge steckte der Igel ganz vorsichtig seine Nase wieder in den Wind.

Der nächste Schritt war die bewusste Entscheidung, aktiv zu werden. Die Akzeptanz der Situation bedeutet nämlich nicht, sie einfach hinzunehmen und auszusitzen. Ganz im Gegenteil: Das Hinsehen hilft dabei, klarer zu werden und aus dieser freundlichen Klarheit Veränderungen zu initiieren.



So wandten wir uns lächelnd, aber bestimmt an die Hotelleitung und baten um ein neues Zimmer. Umgehend bekamen wir ein kostenloses Upgrade auf eine bezaubernde Villa mit eigenem Pool. Am Abend luden wir Freunde ein und feierten eine fröhliche, kleine Party. Ein Prosit auf das Vertrauen ins Leben!



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