Mittwoch, 17. Dezember 2014

Vom Problem, einfach mal den Mund zu halten


Einfach mal still sein. Keine tiefschürfenden Gespräche. Kein Geplapper. Gar nichts. Ich sehne mich nach Ruhe. Aber bin ich deswegen auch in der Lage zu schweigen? Weder als Yogalehrerin noch als Mama einer neunmalklugen Vierjährigen ist eine Zeit ohne Worte auf der Tagesordnung.

Klar, ein paar Minuten sind kein Problem! Aber 24 Stunden? Während meiner Auszeit im Buddhistischen Zentrum mache ich den Versuch. Ziemlich unsicher stecke ich mir den "Ich schweige"-Anstecker an den Pullover.

Und zack! Die erste Irritation lässt nicht lange auf sich warten. Ich fühle mich unbehaglich. Kein "Guten Tag" darf über meine Lippen, nur ein diskretes Nicken. Der Augenkontakt ist plötzlich die einzige Verbindung zu den anderen. Mein Fluchtinstinkt setzt ein. Wie eine Schleichkatze husche ich durchs Kloster. Bloß keinem Bekannten in die Arme laufen! Ich meide jeden Raum, aus dem ich Stimmen höre. Nicht, dass es in diesem Haus der Stille besonders laut wäre. Und doch kommt es mir in diesem Moment so vor. Kaum entschließe ich mich zu schweigen, bin ich sensibilisiert für alle möglichen Töne, die sonst vermutlich an mir vorbeigingen. Ein angeregtes Gespräch über gierige Manager, ein fröhlicher Disput über Wollpflege in der Waschküche, im Korridor werten zwei Damen das November-Wetter aus. Ich höre die Heizungen knacken und den Regen aufs Dachfenster trommeln.

Der größte Krach spielt sich allerdings nicht draußen ab, sondern in meinem Kopf. "Mach' doch mal kurz das Telefon an, sicher muss Dich jemand dringend erreichen!" Oder: "Ah, ein Gespräch über Muskelentspannung, also dazu hätte ich nun wirklich auch etwas zu sagen!" Mein innerer Kommentator gibt nicht auf, er ruft sich ins Gedächtnis - mit jeder Schweige-Minute ein bisschen lauter.

Übertönt wird er schließlich nur noch von meinem Magen. Fällt mein kleines, privates Schweigegelübde nun schnöde meinem Appetit zum Opfer? Im Speisesaal lächle ich den anderen tapfer zu, setze mich mit meinem gefüllten Teller an den einzigen leeren Tisch. Und während nebenan geplaudert wird, passiert es: Plötzlich ziehen die Wortfetzen unbehört an meinem Ohr vorbei. Dafür schmecke ich jede einzelne Nuss in dem frischen Brot, bemerke die feine Schärfe im Salatdressing und das herrlich-säuerliche Aroma der Apfelstückchen. Plötzlich ist es weg, das Gefühl, dass Schweigen trennt. Im Gegenteil: Ich entspanne mich und tauche ein in den stillen Raum der intensiven Erfahrung. Ich bin ganz da. Und bleibe. Auf jeden Fall weitere 24 Stunden.

Waldlauf mit Hindernissen

Heute beim Waldlauf: Des Nächtens abgeladener Müll bei Kilometer eins. Ein paar Schritte weiter hat einer sein Tapeziergut in den Büschen entsorgt. Noch ein paar Minuten, dann ist es mit meiner guten Laune endgültig vorbei: ein Staubsauger direkt an einem Wanderweg. Ich keuche, weniger vor Anstrengung, mehr vor Wut. Spinnen die? Jetzt produziere ich den Müll – Gedankenmüll. Statt entspannt in den Tag zu laufen, jongliere ich im Geist mit den widerwärtigsten Beschimpfungen. Das Ergebnis: Ich bin auf 180. Und renne mit Tempo in die Übellaunigkeit. Aber bevor ich den nächstbesten friedlichen Waldspaziergänger anpöble, ziehe ich die Notbremse. Ich folge meiner Ein- und Ausatmung. Und ich komme immer wieder zu dieser Melodie zurück, wenn das Hirn wieder böswillig mitmischen will. Und plötzlich wird der Waldlauf doch noch zum Training. Zum Training des Geistes. Die anderen können wir nicht ändern. Uns selber schon. Ich übe weiter, im Wald und auf der Yogamatte. Damit mir meine Gedanken nicht den Tag zumüllen.

Kennt Ihr das? Der Tag ganz friedlich und plötzlich ist die schlechte Laune da! Wie helft Ihr Euch bei Wut oder schlechter Laune?

Bis ganz bald, Beate